Kunst-Werke '93 Sparwasser HQ '02 |
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KUNST-WERKE '93 - SPARWASSER HQ '02 In 1993, Dellbrügge &
de Moll spent one year in a garret studio of Kunst-Werke, Berlin.
A rediscovered roll of film from this period forms the basis
for the exhibition "Kunstwerke '93 Sparwasser HQ '02."
The 36 snapshots emulate crime scene photographs. The photographs
create an ambience created of desertion and neglect. Each object
could be a potential piece of circumstantial evidence: the portfolio,
the empty keyhooks, the champagne bottle beside the purse. But
clues to what act? What crime are we witnessing? Kunst-Werke
has blossomed from an alternative, artist-run, off-space for
rhizomatic activities into a state-supported institution. Who
could have suspected this development back then? Do the photographs
contain hints of this imminent future? Sparwasser HQ has all
this still before it.
NISCHEN
Wenden wir versuchsweise das
Konzept der ökologischen Nische auf das kulturpolitische
Phänomen an. Die Evolutionstheorie definiert die ökologische
Nische als das n-dimensionale Hypervolumen, innerhalb dessen
sich eine lebensfähige Populationen erhalten kann. Die kulturelle
Nische ist also kein real existierender Ort, sondern ein abstraktes
Konzept, das die Bedürfnisse einer Art beschreibt und somit
für die Art charakteristisch ist.
LISE NELLEMANN Haben Off-Orte eine Affinität zur Ästhetik des Unfertigen und Chaotischen? Ich denke, dass die Ästhetik
des Unfertigen ein Hinweis auf Offenheit ist sie weisst
auf einen prozessualen Zustand des (Ausstellungs-) Projekts hin.
Ob das unbedingt mit dem runtergekommenen Zustand den Räumen
zu tun hat? Ob das mit dem Status des Nichtkommerziellen zu tun
hat? Korreliert diese Ästhetik mit ihrem transitorischen Zustand? Hier muss ich sofort assozieren:
transitorischer Zustand, transitorische Identität. Der transitorischen
Zustand ist der Zustand eines Ausländers oder des Migranten,
ist das Schicksal vieler Menschen. Ich finde den transitorischen
Zustand einen attraktiven Zustand des Dialoges. Ich sage gerne, dass Sparwasser
ein Denk-Vehikel ist (deconstructing/rethinking/redefining/not
remap, but demap) und dass ein gewisser Abstand zur reinen Professionalität
gehalten werden sollte. Die Freiheit liegt darin, alles offen
zu halten, das Neue des Zusammenkommens und die daraus entstehenden
Beobachtungen zu schätzen. Der/die politische Künstler/in
ist ja auch romantisch. Ist das Nisten in verlassenen oder temporär aufgegebenen Orten ein Weg, Zugriff auf die soziale Wirklichkeit zu erobern? Materiell unprätentious zu sein gemischt mit einem prätentiösen Ehrgeiz ist keine schlechte Eigenschaft in Berlin. Alles ist Verpackung. Es gibt mehrere soziale Wirklichkeiten. Künstler leben in einer sozialen Wirklichkeit. Sparwassers Gäste kommen aus einer sozialen Wirklichkeit. Ob man den Kunstkontext von der Wirklichkeit freihalten kann? Kunst rahmt die Wirklichkeit ein. Sind Off-Orte Karriere-Vehikel und streben notwendigerweise die eigene Institutionalisierung an? Heisst die Alternative establish or perish? In Berlin gibt es viele Beispiele
in dieser Richtung. Jeder Beteiligte in Sparwasser hat einen
eigenen Zugang, sich zu engagieren. Zweifellos bietet sich Sparwasser
als Karriere-Vehikel für junge Kuratoren an. In Sparwasser
finden oft produktive Diskusionen statt über die Organisation
und die Projekte (Werkcharakter, Display, Ökonomie usw.)
Ich habe keine Vision für Sparwasser was den materiellen
Rahmen angeht. Vielleicht kommt sie mit dem Geld? Ist die permanente Revoltion machbar? Wenn Revolution nicht unrealistisches
Träumen beschreibt, dann ja. Wenn es mit einem ethischen
Umgang mit dem eigenen Vorhaben zu tun hat, dann ja. Die Neuerfindung
ist die Grundlage des Zeitgenössischen, des Augenblicks.
Die Zusammenarbeit zwischen ,art workers' ist für mich der
wichtigste Grund, Sparwasser zu machen.
TORBJÖRN LIMÉ Do off-spaces have an affinity to an aestetic of the unfinished and chaotic? No, not in the real sense of
it. I believe it's rather an attitude. In commerce and capitalistic
business everything, on the surface, is so clean, flashy, and
hyped. The surroundings of each member in the west are authoritarian
and organized. Everything has a straight explanation to sell
and to buy to consume you buy therefore you are. Does this aestetic correlate to their transitory state? No, not really, maybe for some
but I think the biggest problem is as usual money. Independent
people normally have a low budget for living and in the end they
can't beat the institutions which are supported by the state
and the governement. They haven't got the same persistence just
because of the fact MONEY. Everybody working in an institution
gets a salary (from the boss to the cleaner). People working
with off-spaces have to make money in a third way and that takes
a lot of energy and you're getting tired. How much ideology is involved? Michel de Certeau wrote about groups which are forced to adapt to an authoritarian system. They develop strategies of appropriation and convert the given rules while playing the game. Is the nesting in deserted spaces a mode of opposition and self-assertation? It depends, I would like to
say. Some people are just running a space because there is a
need for off-spaces. They would like to create more exhibition-possibilities
because there are too many artists and too few galleries. Do off-spaces necessarily strive for the establishment? Is a permanent revolution feasible at all? Is the alternative: establish or perish? Some people start to be independent
because that's the only way in and then they go for commercialisation.
Money and power are two ways of identification, confirmation
and legitimation.
MARC RIES Als erstes will ich mit Pierre Bourdieu argumentieren, der an mehreren Stellen seines Oeuvre auf »Raum« Bezug nimmt u.a. in dem von mir nun verwendeten Text: Physischer, sozialer und angeeigneter physischer Raum. In: Martin Wentz (Hg.): Stadt-Räume. Frankfurt a. M./New York 1991. "Es ist der Habitus, der
das Habitat macht, in dem Sinne, daß er bestimmte Präferenzen
für einen mehr oder weniger adäquaten Gebrauch des
Habitats ausbildet." Dies ist ein Schlüsselsatz in
Bourdieus Text. Er verweist auf die Prädominanz sozialen
und kulturellen Kapitals in der Aneignung von physischen Orten,
Kapitalien, die ziemlich genau festlegen, welcher Art die Nutzung,
das Zurschaustellen oder Anbieten von Raum, von Objekten oder
Dienstleisungen, von Positionen von Akteuren oder Gruppen an
dem jeweiligen Ort zu sein hat. Doch zunächst einen Schritt zurück. Bevor die Off-Orte als solche, d.h. als Nischen aufgebaut werden können, sind sie als »exkommunizierte Orte« wahrzunehmen, Orte, die ihrer ursprünglichen Funktion und Aufgabe enthoben wurden. Erst in ihrer Besetzung durch Künstler, Ausstellungsmacher, offenbart sich ein spezifischer "Raumprofit", ein "Okkupationsprofit", dergestalt dass sich nun ein eigener sozialer Raum entfalten kann und eine Aneignung des physischen Ortes praktiziert wird. D.h. Off-Orte etablieren eine "Reifikation" eines sozialen, in dem Fall Künstler-, Ausstellungsraumes, eine Vergegenständlichung von bestimmten Kommunikationsformen, Handlungsoptionen, Verwendungsvarianten, die sich als "Korrespondenz zwischen einer bestimmten Ordnung der Koexistenz von Akteuren und einer bestimmten Ordnung der Koexistenz von Eigenschaften" einstellt. Alles in allem läuft diese
Argumentation darauf hinaus, erstens: auch Off-Orte in symmetrischer
Beziehung zu traditionellen Kunstorten zu denken, auch sie werden
im Prinzip von derselben Art von Akteuren (Produzenten wie Rezipienten)
bespielt, wie Museen, Galerien... Ihre scheinbare »Deterritorialisierung«,
ihr "Anderer"-Raum-Belegungsprofit ist bloß ein
symbolischer Kapitalwert, der zum eigentlichen nicht in Widerspruch
steht zum Kunstmarkt als solcher. Wenn es eine Art "Nische"
geben kann, dann, zweitens, weil man ganz allgemein sich die
Frage stellen muss: "wie und inwieweit die Lokalisierung
an einem Punkt des physischen Raums die Vorstellung der Akteure
von ihrer Stellung im sozialen Raum, und damit: ihre praktisches
Handeln affiziert". Oder, anders formuliert: gibt es vielleicht
doch eine Art nicht-kapitalisierbarem, also rein "schöpferischem"
Mehrwert im Sich-Verorten in "unordentlichen" Räumen,
physischen Räumen also, die eine starke Eigenimmanenz aufweisen
und Zeichen und Aussagen mit vorzubereiten in der Lage sind,
die traditionellen Kontexten zuwiderlaufen? Damit ist gerade
nicht die Fabrikation von »kontextueller Kunst« gemeint,
sondern auch das, was de Certeau mit "Spielraum für
die Bewegungen von ungleichen Kräften und für utopische
Bezugspunkte" meint.
Zur gleichen Zeit zeigen die Künstler auch bei der Galerie Olaf Stüber
Over the summer, Sparwasser
HQ, inspired by the dialog surrounding the project by Dellbrügge
& de Moll, will transform into an association of public
utility (e.V.). The association is a model for overcoming
the economic difficulties of the current non-profit project,
difficulties that were neglected, until now, in the interests
of the many activities and events carried out in the past two
years. Sparwasser will continue, in the future, the praxis of artist-curated projects, in which collaborative and discursive research is the first priority. In addition to this process, Sparwasser HQ invites art and curatorial workers to meet twice a month in Torstrasse 161, Berlin Mitte: Tuesdays at 7 PM. These artists talks will be announced through newsletters and from the Sparwasser HQ homepage. These events are offer Berlin curators an opportunity to get together and meet emerging artists in an intimate situation. On these occations, three artists will each present recent works and provide the contextual background of their bodies of works.
This takes place with
the friendly support from DCA, the Danish Contemporary Art Foundation.
S P A R W A S S E R
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Zur gleichen Zeit zeigen die Künstler auch bei der Galerie Olaf Stüber
Dellbrügge & de
Moll Pressevorschau: 8.07.02 um
14 Uhr Galerie Olaf Stüber, Max-Beer-Strasse 25, 10119 Berlin-Mitte, Tel. |