Ho Tzu Nyen:

zu 'The Bohemian Rhapsody Project' , Singapore Biennale

WALL TEXT:
"In den Monaten Juni und July 2006 fanden vier Runden eines Vorsprechens für die Rolle des Protagonisten für einen Film, basierend auf den Lyrics des 1975er Hits der Band Queen, Bohemian Rhapsody statt. Ein Song, der die formelähnliche Struktur Strophe-Refrain-Strophe eines mittelmässigen Popsongs durch vielfaches Rollenspiel und fast schizophrenem Ineinandergreifen von diversen Musicalstyles ersetzt.

Von den vielen Professionellen und Nicht-Professionellen Vorsprechern die erschienen, wurden 22 zur Endausscheidung in den ehemaligen Gerichtssaal des Rathauses eingeladen. Dieses Vorsprechen wurde in Anwesenheit von speziell dafür eingeladenen Zuschauern abgehalten, davon 18 speziell erprobte Schauspieler, sowie ein Film Team. Von diesen 22 Bewerbern wurden letztendlich 21 für den Film ausgewählt, welcher einzig und allein aus diesem Vorsprechen zusammengestellt wurde.

Der daraus entstandene Film, zugeschnitten auf die Originallänge von Bohemian Rhapsody (5 Min 52 Sek) funktioniert gleichzeitig als Bilanz dieses Vorsprechens. Der Film, der zwischen gesprochenem Text und gelegentlichen musikalischen Einschüben hin und her pendelt, ist ein wichtiges Mittel, das die Erinnerung des Zuschauers an den Song erbittet und ihn ermutigt an diesem Kopfkino teilzunehmen."

QUOTES:
Ich wollte einen Film machen, der mittels seines Schaffungsprozesses quasi in das Bild hinein gefaltet werden kann- so wurde der komplette Film mit drei Kameras gefilmt, in einer geraden Linie angeordnet, die sich fast die ganze Zeit auch selbst filmten-trotzdem ist es weniger eine Geste von Selbstreflektion als eher eine Möglichkeit diese Selfreflektionierung innerhalb der stärkeren Rhytmus des Films und des Songs zu drehen und zu wenden.

Der ganze Film ist außerdem in dem Rathaus, dem ehemaligen obersten Gerichtshof von Singapur gedreht wurden, welcher eine schreckliche Rolle am Tod vieler Menschen spielte. (Singapur hat eines der strengsten Todesstrafensysteme ) Das Rathaus und damit der oberste Gerichtshof ist einer der Schauplätze der Ausstellungen der Singapur Biennale. So integriert sich dieses Video, das auch deswegen in dieser Umgebung gezeigt wird (und deshalb auch mit der Erinnerung an den ehmaligen Nutzen dieses Ortes) in das Gesamtbild.

Die Hauptrolle- die Hauptfigur (der angeklagte Junge) ist die einzige Rolle, welche einem Vorsprechsystem gegenüber steht. Auf der einen Seite führt dies das Thema gültiger gerichtlicher Rechtsprechung (welche sich kürzlich mit dem Velasquez/Bacon Kardinal in eine spirituelle Rechtsprechung ausweitete) mit der Beurteilung/dem Richten des Regisseurs im Bewerbungsprozess zusammen. Auf der anderen Seite, während der Anleitung des Teams und der anderen Mitglieder der Besetzung, ihre Aktionen vor einem ahnungslosen Publikum immer wieder zu wiederholen, bekam der gesamte Film eine durchgängige Linie, die das Abwickeln dieser hoffnungsvollen, jungen Schauspieler zeigte, das analog zu sehen ist zu dem unpersönlichen Abwickeln von Lebens durch die Gesetzsprechungsmaschinerie.

Eine Geschichte baut sich oft um eine Hauptfigur auf, ich wollte mit einer Erzählstruktur experimentieren, in der die Hauptfigur nicht länger von einem einzelnen Schauspieler verkörpert wird. Aber das Thema der Geschichte, welches der Text eines alten Songs ist, passiert eigentlich durch ihn. Zudem ist die Geschichte nicht die eines Individuums, sondern vielmehr die von zahlreichen Leben, die durch die Eisenhand des Gesetzes endeten.

Viel wichtiger ist, dass ich dieses Thema von den Zuschauern weitergesponnen haben wollte- es geht um die Erinnerungen des Zuschauers an den Text und die Melodie von Bohemian Rhapsody, mit denen ich beeinflussen wollte- so dass der Zuschauer seine eigene Projektion über das gezeigte Bild legen kann. Das ist es, was ich im Wandtext mit Kopfkino meinte.

Und weil der Song alt ist, ist die ist die Erinnerung an diese Melodie unvermeidlich mit einer Art Gefühl verbunden, und ich fragte mich, ob man dieses Gefühl anstacheln könnte zu einer Art Plädoyer für all diese jungen Männer, die um ihr Leben bitten.

Langsam erkenne ich auch mein Engagement mit dem Medium Video/Film als ein Bestreben vorgefertigte Kulturgegenstände zu wiederholen und zu zweckentfremden- entweder Nationalgeschichte (Utama), Kunstgeschichte (4 x 4) und nun Popkulturgeschichte. Ich hoffte außerdem, all diese oben erwähnten Absichten in eine sehr kurze Arbeit einbauen zu können (als Gegensatz zu meinen älteren, längeren, mehr pädagogischen Arbeiten) -so war es hilfreich, einen Song zu benutzen dafür und dabei dessen vorgegebene Dauer einzuhalten (5 Min 52 Sek). Ich glaube, ich hoffte vielmehr, dass das Video wie ein Song funktionieren könnte- es könnte kurz und süß sein, aber durch wiederholtes Hinhören würde es sich erklären, sich entfalten...

Gerade dieser Prozess von Komprimieren und Entfalten ist etwas, was sich für mich sehr nach dem anfühlt, wie ich Zeit verstehe - ich hoffe, dass die Tatsache, dass man diesen Film ansieht, eine stetiges Erschließen von Erinnerungen (Erinnerung an den Song, an den Gerichtsaal, den die Zuschauer besichtigt haben, Erinnerungen an jene, die dort ihr Leben verloren) und vielleicht, hoffentlich, eine Art von Zukünftigem - denn gleich nach dem Film tauchen die Zuschauer aus der Verfilmung heraus auf und gehen durch genau die Korridore, und genau die Treppenhäuser und durchqueren dieselbe Eisentür, wie diejenigen, mit denen ich den Film enden lasse.
Ich denke, dies hier fasst eine Menge von meinen Absichten zusammen. Ich habe keine Illusionen, sie alle oder die meisten davon umgesetzt zu haben...